Arbeit mit der Transaktionsanalyse – Grundlagen zum Passivitätskonzept

Wir Erwachsenen können unseren Alltag meistens gut bestreiten. Es gibt jedoch manchmal Aufgaben, die wollen uns nicht so recht gelingen. Das Fertigstellen einer Hausarbeit, den Anruf beim Steuerberater endlich erledigen oder einfach nur Ordnung halten. Wenn Menschen ihre Probleme nicht lösen können, dann kann das Passivitätskonzept Aufschluss darüber geben, warum das so sein könnte. In diesem Artikel bekommst du einen ersten Einblick über das Passivitätskonzept der Transaktionsanalyse.

Abwertungen – Anatomie der Unlösbarkeit

Wenn Menschen ihre Probleme nicht lösen, hat das seinen Ursprung im Denken. Denn hier entscheidet sich, ob ein Mensch sich etwas zutraut oder nicht. Es entscheidet sich auch, auf welche Art und Weise Probleme angegangen werden.

Wir alle müssen unser Erlebtes einschätzen. Wir müssen also ständig bewerten. Bei Menschen, die ihre Probleme jedoch nicht lösen, fallen diese Bewertungen anders aus. Sie werten bestimmte Dinge auf und ab.

  • “Ich kann das nicht!” (Abwertung der eigenen Fähigkeiten, Aufwertung der Aufgabe)
  • “Die anderen sind besser als ich!” (Abwertung der eigenen Person, Aufwertung der anderen)

Wenn wir davon ausgehen, dass jeder gesunde Mensch grundsätzlich dasselbe Potenzial hat wie jeder andere, dann wird schnell deutlich, wo Menschen Abwertungen tätigen. Natürlich kann es sein, dass du zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Hausarbeit schreiben kannst. Jedoch kannst du es lernen. Jedoch sehen Menschen oftmals nicht, dass sie sich stellen müssten. Eine Abwertung der Realität.

Vier beobachtbare Verhaltensweisen

Passive Menschen zeigen vier beobachtbare Verhaltensweisen, wenn sie passiv sind:

  1. Nichtstun
  2. Überanpassung
  3. Agitation oder Aktionismus
  4. Selbstbeeinträchtigung oder Gewalt

Beim Nichtstun kann keinerlei Aktivität erkannt werden. Die Betreffende jedoch sieht eine Situation an sich vorübergehen, in der sie eigentlich handeln müsste. Während sie äußerlich nichts tut, ist sie innerlich mit einem Unwohl-Gefühl konfrontiert. Die Fähigkeit zum aktiven Handeln wird abgewertet.

Eine junge Frau wird von Ihren großen Bruder immer wieder zurechtgewiesen. Sie weiß: Eigentlich sollte sie dagegenhalten. Jedoch lässt sie die Schmach, ohne etwas zu tun, über sich ergehen. Hinterher ärgert sie sich über sich selbst.

Bei der Überanpassung geht man scheinbar auf das ein, was andere von einem erwarten. Es werden Zugeständnisse und Versprechungen gemacht. Jedoch finden nach der Überanpassung nicht die nötigen Aktionen zur Problemlösung statt.

Lars kommt ständig zu spät. Als seine Freundin ihn zur Rede stellt, gibt er zu: “Ja ich habe mich in der Zeit vertan. Ich habe nicht auf die Uhr geschaut. Ich werde zukünftig darauf Acht geben. Das verspreche ich dir.”

Beim nächsten Mal kommt Lars wieder zu spät. Zum Ärger seiner Freundin.

Jemand, der der Agitation anheimfällt, tut viel, aber löst das Problem nicht. Man arbeitet um eine Aufgabe herum. Annette wollte eigentlich ihre Steuerberaterin anrufen. Jedoch erledigt sie schon den ganzen Tag andere Aufgaben. Ihr ist halbbewusst, dass sie noch den für sie unangenehmen Anruf tätigen müsste. Jedoch hat sie eine gute Ausrede für sich: “So viel zu tun…”

Jemand, der selbst Selbstbeeinträchtigung oder Gewalt zeigt, reagiert gegen Gegenstände oder Personen, statt das Problem zu lösen. Ein solches Verhalten kennt man aus dramatischen Filmszenen, wo Teller fliegen, mit der Faust gegen die Wand gehämmert oder gar eine andere Person geschlagen wird. Das eigentliche Problem bleibt dabei ungelöst. Oder wenn jemand am Vorabend eines Bewerbungsgespräches zu viel trinkt. Am nächsten Morgen wird dann mit entsprechendem Erscheinungsbild vorgesprochen. Hinterher dann: “War ja klar, dass ich den Job nicht bekomme.”

Der Passivität entkommen

Zunächst einmal kann es sehr hilfreich sein die Passivitätsmuster zu kennen und sich selbst darauf zu überprüfen. Stellst du fest, dass du passiv bist, kannst du herausfinden, wovor genau du Angst hast. Denn häufig ist sie es, die uns untätig bleiben lässt.

An dieser Stelle wird es wichtig zu verstehen, dass du als gesunder Mensch das gleiche Potenzial hast, etwas zu können wie jeder andere auch. Denn du hast die Fähigkeit zu lernen. Du kannst dich wissenstechnisch, psychisch und emotional weiterentwickeln.

Als Nächstes geht es der Angst, ins Auge zu blicken. Viele Menschen vermeiden dieses unangenehme Gefühl. Es gehört jedoch zu einem vollen Leben dazu. Denn Angst zeigt dir deine Unsicherheiten und mögliche Gefahren auf. Diese gilt es nicht um jeden Preis zu vermeiden. Manchmal braucht es auch eine Konfrontation und entsprechende Vorbereitung.

Wenn Du beispielsweise einen Vortrag halten sollst, kann die Angst dir helfen dich angemessen vorzubereiten.

Manche Menschen fantasieren sich schlimme Katastrophen zurecht. “Wenn ich den Vortrag nicht gut halte, dann halten mich alle für einen Versager.” Die Angst entsteht aufgrund der Fantasie. Nicht aufgrund der Realität. Also gilt es sich dieser Fantasie zu stellen. Und das geht so:

Stelle dir vor das Schlimme würde tatsächlich eintreten. Wie würdest du dann agieren? Falls du keine Idee hast, frage dich: Wie würde dein größtes Vorbild in dieser Situation handeln? Gehe den Gedanken bis zum Schluss durch. Oftmals ist mit einem Zu-Ende-Denken der schlimmen Fantasie das Angstmachende nicht mehr vorhanden. Probiere es doch einmal aus.

Autor: Steffen Raebricht

Steffen Raebricht ist der Gründer von Transaktionsanalyse-online.de und treibende Kraft dieser Website. Weiterhin ist er transaktionsanalystischer Berater, selbstständig, Universitäts-Dozent (UT-Dallas), Speaker, Trainer, Coach, Autor und nicht zuletzt Imker.

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