Wie wird man eigentlich … Spieledesigner?

Greifente

Greifente

Christian Walter arbeitet erfolgreich als selbstständiger Designer und Spieledesigner in Leipzig. Warum der Begriff Spieledesigner nicht ganz korrekt ist, wie er zu diesem Beruf gekommen ist und was er selbst heute noch neu lernen muss, erklärt er gehirnonline.de in diesem Interview.

Was macht ein Spieledesigner genau?

Ich arbeite als Diplom-Designer und entwickle Produkte. Vor allem entwickle ich Spiel-, Lehr- und Lernmittel – was einer Bezeichnung aus der Studienzeit entspricht. Es geht dabei um Spielzeug oder auch Spielmittel, mit denen man etwas lernen kann. In meinem Arbeitsalltag sind die Übergänge zwischen den drei Begriffen allerdings fließend, da orientiert sich meine Arbeit an den konkreten Bedürfnissen des Kindergartens.

Was ist ein typisches Beispiel für ein Spiel-, Lehr- und Lernmittel?

Ein gutes Beispiel ist ein Memoryspiel. Hier lernt man, sich zu konzentrieren und sich etwas einzuprägen. Ich beschäftige mich mit klassischen Spielen und versuche, diese an die Bedürfnisse des Kindergartens anzupassen. Das umfasst die Regeln, die Beschaffenheit und die Qualität. Bei einem Memory für den Kindergarten sind Pappkarten nicht gut einsetzbar. Haltbarer sind da Karten aus Holz oder Kunststoff. Allerdings muss ich als Designer auch immer die Kosten bei einer Spielentwicklung im Blick haben.

Für wen arbeiten Spieledesigner?

Ich arbeite für Firmen, die Spiel-, Lehr- und Lernmittel anbieten – in der Regel also Spieleverlage. Ungünstig für mich ist, wenn Firmen sagen, machen Sie mal was, eventuell nehmen wir das. Ich bevorzuge konkrete Spielaufträge und entwickle diese dann zusammen mit dem Auftraggeber. Der Auftraggeber ist dabei sehr nah an der Entwicklung dran und kann darauf Einfluss nehmen. Das ist auch ein Teil des Auftrages und das Spiel wird dadurch nicht am Markt vorbei entwickelt.

Christian Walter

Christian Walter

Haben Sie sich auf eine bestimmte Art von Spielen spezialisiert?

Meine Spezialisierung ist der Kinder- und Grundschulbereich. Das können auch mal Sandartikel wie Schaufeln oder ein Förmchen sein. Wichtig ist, dass die Produkte die Bedürfnisse des Kindergarten erfüllen.

Gibt es viele Spieleverlage, die Produkte für diese Zielgruppe anbieten?

Der Markt ist überschaubar. Allerdings bediene ich auch andere Märkte, indem ich Aufträge zur Farbgestaltung oder grafische Dienstleistungen übernehme. Viel Spass hat mir auch die Gestaltung von Schulmöbeln gemacht.

Welches sind die typischen Lernfelder, die mit Lernspielen abgedeckt werden?

Im Kindergarten sind es die Grundlagen der Mathematik, Sprache, Motorik und Feinmotorik. Dort werden immer mehr die Aufgaben und Fertigkeiten gelernt, welche das Elternhaus nicht mehr ausreichend vermittelt. Das sind besonders soziale Fertigkeiten, aber auch motorische Eigenschaften. Ich bekomme oft die Rückmeldung aus den Kindergärten, dass die Bewegung schlechter als früher ist, die Kinder spielen nicht mehr so oft draussen. Dagegen muss man etwas unternehmen.

In welchen Schritten entsteht ein Spiel – von der ersten Idee bis zum fertigen Endprodukt?

Der erste Schritt ist die Idee. Dazu beobachte ich meine Umwelt oder spiele mit meinen eigenen Kindern. Ich gehe mit offenen Augen und Ohren durch die Welt. Eigentlich liegen die Ideen auf der Strasse, man muss sie nur sehen. Dann frage ich mich, wie ich aus der Idee ein Produkt machen kann, dass ich in meiner Werkstatt bauen kann. Zur Idee kommt also gleich der Gedanke, wie kann ich das praktisch umsetzen in ein fertiges Produkt. In der Regel trage ich eine Idee einige Zeit mit mir herum.

Danach visualisiere ich die Spielidee so, dass man sie spielen kann. Ich mache eine Zeichnung, probiere die Spielidee aus und fertige ein einfaches Modell aus Papier oder Pappe. Das ist meistens sehr nah am ersten Prototyp und schon gestaltet. Das hängt allerdings von der Komplexität der Idee ab.

Im nächsten Schritt baue ich den Prototypen in der Werkstatt. Das macht mir Spass und durch das aktive Tun wird das neue Spiel wieder besser. Es ändert sich nochmal und einzelne Detailprobleme werden gelöst. Danach erprobe ich den Prototypen mit der Zielgruppe. Er wird dann so lange weiterentwickelt, bis er produktreif ist.

Dann wird der Prototyp produziert. Dafür erstelle ich umfangreiche Zeichnungen für den Produzenten. Ich begleite das Spiel bis zur fertigen Produktion. Das ist auch ein Qualitätsmerkmal von mir, da ich seit 1996 in der Spielentwicklung arbeite. Oft ist die Schnittstelle zwischen Spielidee und Produktion problematisch. Der Designer muss oft eingreifen, damit das Produkt auch zu einem verkaufbaren Preis produziert werden kann. Es kann in dieser Phase auch zum Abbruch kommen. Im Extremfall kann es manchmal drei bis vier Jahre von der Idee bis zum fertigen Produkt dauern. Allerdings strebe ich als Optimum ein Jahr an.

Die folgende Produktion findet dann in der Regel in Asien statt. In Deutschland wäre die Produktion drei bis vier mal teurer, deswegen haben die Spieleverlage keine große Wahl. Die Spielanleitungen werden manchmal allerdings in Deutschland gedruckt.

Zusammengefasst findet die Spieleentstehung also in folgenden fünf Schritten statt: Ideenfindung, Ausbau zum richtigen Spiel, Prototyperstellung, Design und Massenproduktion

Lernen Sie selbst auch noch etwas Neues bei einer Spielentwicklung?

Natürlich. Bei einem Spiel habe ich vor kurzem zum ersten Mal einen Gehrungsschnitt einer Multiplexplatte gemacht. Das erforderliche Können eigne ich mir autodidaktisch an oder suche Fachleute, die mir zeigen, wie es geht. Manchmal übernehmen das auch Andere für mich. Dabei habe ich allerdings festgestellt, dass ich mit asiatischen Produzenten schneller zum Ziel komme, als mit europäischen. Es macht mir viel Spass Neues zu lernen. Allerdings nur so lange, wie ich die Probleme auch selbst bewältigen kann. Manchmal ist die Lösung schwierig oder ich finde kaum Ansätze. Meistens kann ich allerdings gut damit umgehen und finde oft selbst eine gute Lösung.

Spiel Mobi Kick

Spiel Mobi Kick

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Spieledesigner zu werden?

Auf die Idee kam ich durch die Eignungsprüfung der Kunsthochschule Burg Giebichenstein. Eigentlich wollte ich Maler oder Grafiker werden. Ein Mitarbeiter der Burg sagte mir, dass ich noch nicht soweit wäre und dort keine Zulassung bekommen würde. Es gab nur alle zwei Jahre zwei Plätze. Und auf jeden Platz kommen 100 Bewerber. Wenn ich mich allerdings auf Spielzeuge, also Spiel-, Lehr- und Lernmittel bewerbe, dann könne er sich gut vorstellen, dass ich die Prüfung schaffe. Ich habe die Prüfung dann auch im ersten Anlauf bestanden und hatte vor der Wende schon meinen Studienplatz sicher. Nach der Wende begann ich das Studium dann und blieb auch dabei, weil es Spass macht und ich auch ein verspielter Typ bin. Ursprünglich wollte ich dann später wechseln doch mir wurde geraten, beim Spieledesign zu bleiben, da Produktentwicklung mehr Marktchancen hat und die Aussichten Geld zu verdienen besser sind. Mittlerweile weiß ich auch, dass man Geld verdienen kann, aber man wird dabei nicht reich.

An welchen Fähigkeiten erkennt ein junger Mensch, dass Spieledesigner ein passender Beruf für ihn ist?

Jeder junge Mensch sollte sich der Realität stellen und sich fragen, was will ich wirklich? Wichtig sind Fähigkeiten wie handwerkliche Begabung, ein Verständnis für Produktion und kaufmännisches Wissen. Ein 15-jähriger Interessent sollte kreativ sein, mit wachem Blick durch die Umwelt gehen und erste Spielideen haben, die sich von den vorhandenen abheben. Allerdings muss man auch viel Kraft und Zeit in seine Entwicklung investieren. Die Entlohnung ist oft nicht so gut. Der Aufwand wird also nicht unbedingt auch finanziell belohnt. Man muss also etwas idealitisch sein. Wichtig ist auch ein ausgeprägtes pragmatisches Denken und wie schon angesprochen gute handwerkliche Fähigkeiten, sozusagen von allem etwas.

Welche Bereiche hat Ihr Studium umfasst?

Das Grundlagenstudium (2 Jahre) umfasst die Grundlagen der Gestaltung, Naturlehre, Kompisition und plastische Umsetzung. So habe ich viele 3-dimensionale Modelle gebaut. Im zweiten Jahr gab es konkrete Aufgabenstellungen für kleinere Spiele. So habe ich ein Stufendominospiel entwickelt sowie einen Prototypen mit Verpackung und Spielanleitung. Man lernt die methodische Herangehensweise, wie man zu einer Idee kommt. Dieses Wissen benötige ich heute noch, habe dazu allerdings weniger Zeit als im Studium.

Gibt es Fähigkeiten, die Sie außerhalb, der Ausbildung gelernt haben, die aber sehr wichtig sind?

Ganz wichtig ist die kaufmännische Seite der Produktentwicklung. Diese fehlte im Studium komplett und ich musste sie erst lernen. Hilfreich ist auch das Kennenlernen von Leuten. Das passierte auf Gründerstammtischen, in Gründernetzwerken und durch den Austausch mit Kollegen. Viel habe ich auch durch das Arbeiten an konkreten Produkten gelernt.

Wie haben Sie den Berufseinstieg erlebt? Waren Sie gut darauf vorbereitet?

Gestalterisch und handwerklich war ich sehr gut vorbereitet. Von kaufmännischen Dingen und vom Marketing hatte ich fast keine Ahnung.

Welche neuen Erfahrungen haben Sie in den ersten Berufsjahren gemacht?

Ich habe als Festangestellter in einer Werbeagentur begonnen. Dort erarbeitete ich mir umfassende handwerkliche grafische Fähigkeiten. Das umfasste Fragen, „Wie bekommt man ein Druckerzeugnis so hin, dass es auch gedruckt werden kann?“ oder die Druckvorstufe. Ich musste viel lernen, allerdings weniger zu Fragen der guten Gestaltung, sondern vor allem die dazu notwendigen handwerklichen Fähigkeiten.

Später als Spieledesigner habe ich gemerkt, man braucht viel Kraft um seine Vorstellungen einer Spielentwicklung durchzusetzen. Die Leute, mit denen man zu tun hat, haben oft keine gestalterischen Hintergründe. Am Anfang war das ein Problem, wurde später aber zunehmend zum Vorteil, da ich nie als Gestalter in Frage gestellt wurde. Oft mussten Probleme bei der Produktentwicklung gelöst werden. Obwohl wir zielorientiert gearbeitet haben, war es oft ein hoher zeitlicher Aufwand. Ich hatte oft Arbeitszeiten von 10 – 14 Stunden.

Dreirad

Dreirad

Später haben Sie sich selbstständig gemacht. Welche neuen Dinge mussten Sie sich dafür aneignen?

Das selbstständige Entwickeln war ich schon gewohnt, aber auch das Andere muss selbstständig gemacht werden. Ich musste noch stärker kaufmännisch denken, mit meine Zeit besser einteilen und mich selbst mehr bei Auftraggebern bewerben. Bei Ideen habe ich auch weniger Zeit für die Entwicklung.

Mit welchen Projektpartnern arbeiten Sie zusammen?

Mit den unterschiedlichsten Berufen: Textern, Tischlern, Schlossern, Schneidern, Polsterern, Fahrzeugbauern oder anderen technischen Berufen. Wenn mir eine Fähigkeit fehlt, muss ich mir einen Partner suchen, der mir hilft. Ich kann nicht alles alleine machen. Allerdings sind Auftraggeber oft nur begrenzt bereit, dass auch zu bezahlen.

Bilden Sie selber aus?

Ich hatte zwei Praktikanten und freue mich über neue. Sie helfen mir bei der Spielentwicklung, beim Ausprobieren neuer Spielideen oder arbeiten Anleitungen aus. Allerdings müssen sie auch korrigiert werden. Sie machen von A bis Z alles in der Spielentwicklung mit wie etwa Linienzeichnungen.

Was ist das Schwierigste, wenn man anderen das eigene Wissen vermitteln möchte?

Eigentlich war es vollkommen unkompliziert. Durch die Praktikanten wurde ich auch immer an die Mittagspause erinnert.

Welches Ihrer Spiele hat Sie am meisten herausgefordert?

Das Spiel, dass jetzt herauskommt. Es handelt sich um ein Fußballspiel für den Tisch „Mobikick“. Die Umsetzung war so kompliziert, es stand sogar auf der Kippe. Ich musst extra nach China zum Produzenten reisen, um das Ruder herumzureissen. Wir konnten zum Glück eine praktikable Lösung finden.

Welches sehen Sie als Ihr bestes Lernspiel an?

Am meisten verkauft hat sich das „Schattenmemory“. Es ist speziell für den Gebrauch im Kindergarten angepasst. Es ist wie ein Regal mit Schubkästen und kann lange genutzt werden. Es hat einen hohen Nutzwert, so bestehen die Karten aus Holzblättchen. Fast jeder Kindergarten in Deutschland hat ein Exemplar.

Eine Pädagogin hat gerade gefordert, Kinder sollen nicht mit Spielzeug spielen, sondern mit Alltagsgegenständen, weil das die Fantasie mehr anregt – eine Bedrohung für Ihren Beruf?

Nein, ich finde diese Forderung nicht schlecht. Allerdings sind die Erzieher im Alltag in den Einrichtungen bei der Förderung der Kinder zeitlich beschränkt. Sie können sich wenig Gedanken in pädagogischer Hinsicht machen. Wenn sie das mit Alltagsartikeln hinbekommen, umso besser.
Meine Erfahrung ist, der Großteil der Erzieher greift gerne auf die Hilfe von Spieledesignerprodukten zurück.

Was möchten Sie in Zukunft selbst noch lernen?

Ich möchte gerne Produkte entwicklen, die nicht in erster Linie Spielsachen sind. Ich denke daran, mal ein Möbel zu entwicklen oder ein Fahrzeug zu bauen.

Möchten Sie noch einen Aspekt hinzufügen?

Spielzeuge zu entwickeln macht viel Spass und Freude. Man kann dadurch auch seinen Mitmenschen ein bisschen Spass und Freude mitgeben.

Im Folgenden sehen Sie noch einige der von Christian Walter (XING-Profil) gestalteten Spiele:

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