E-Learning-Angebote zum Deutschlernen für Flüchtlinge

Ankommen kleinDie im Jahre 2015 einsetzende Flüchtlingskrise brachte bis heute mehr als eine Millionen Flüchtlinge nach Deutschland. Schätzungen zufolge wird sich diese Zahl bis Ende 2017 noch verdreifachen. Die meisten Flüchtlinge kommen aus Ländern wie Syrien, Afghanistan oder Somalia und fliehen vor den Kriegen und dem Terror in ihrer Heimat. Neben Nachbarländern treibt es diese Menschen oft in wirtschaftlich entwickelte Staaten wie die Schweiz oder auch Deutschland. Sie kommen mit der Hoffnung auf ein sicheres und besseres Leben. In den vergangenen Monaten stellte der enorme Zustrom an Flüchtlingen Deutschland vor immer neue Herausforderungen.

Abgesehen von den Schwierigkeiten, welche die Bundesrepublik in den nächsten Jahren lösen muss, sehen einige Experten in der Krise auch ein neues Potential für das sich in einem demografischen Wandel befindende Land. Arbeitskräfte werden in den nächsten Jahren in Deutschland immer weniger werden – der große Zuwachs an Flüchtlingen könnte hier möglicherweise einen positiven Beitrag dazu leisten, offene Stellen zu besetzen. Bevor jedoch ein Mensch, der gerade erst seine Heimat aufgrund von Krieg oder Verfolgung verlassen hat, bereit auf seine neue Aufgabe in einer ihm fremden Gesellschaft ist, kann dies ein langer Weg sein.

Das Stichwort „Integration“ spielt dabei eine bedeutende Rolle. Zwar ist die Unterbringung in einer kommunalen Wohneinrichtung ein wichtiger Anfang, doch der Weg in die Gesellschaft ist damit noch nicht geebnet. Menschen müssen, um langfristig in Deutschland Fuß fassen zu können, ausgebildet und qualifiziert werden. Eine fraglose Voraussetzung dafür sind Kenntnisse der deutschen Sprache. Diese sind bei Flüchtlingen meistens jedoch gar nicht oder nur sehr mangelhaft ausgebildet. Ohne diese ist es allerdings nahezu unmöglich in Deutschland ein neues Leben zu beginnen, zu lernen oder zu arbeiten.

Deutschkurse für Flüchtlinge werden von verschiedenen Institutionen angeboten. Im Zuge der Flüchtlingskrise ist es sogar zu einem Mangel an Deutschlehrern gekommen und zahlreiche Menschen haben sich ehrenamtlich für eine Tätigkeit als Lehrkraft gemeldet. Diesen fehlt es allerdings oft an einer entsprechenden Qualifizierung und Erfahrung. Außerdem ist es schwer, das Niveau des Kurses an die verschiedenen Ausgangsbedingungen der Kursteilnehmer anzupassen. Dass Flüchtlinge auch andere Wege nutzen können, um Deutsch außerhalb des Unterrichts zu lernen, zeigen innovative E-Learning-Konzepte. Ein strukturierter Deutschkurs lässt sich durch eine App für das Mobiltelefon nicht ersetzen, aber dessen Fortschritt kann unterstützt und der Lernprozess farbenfroher als auch interaktiver gestaltet werden. Eine Auswahl dieser Anwendungen wird in diesem Artikel vorgestellt und hinsichtlich der Vor- und Nachteile betrachtet.

Die Ankommenapp

Gerade die ersten Wochen nach der Ankunft in Deutschland sind für Flüchtlinge besonders schwierig. Genau diesen Gedanken greift der Bayerische Rundfunk auf und bietet die App „Ankommen“ an. Die Anwendung kann auf Android- als auch iOS-Systemen genutzt werden und lässt sich in fünf verschiedenen Sprachen bedienen: Neben Deutsch und Englisch stehen Französisch, Arabisch und Farsi zur Auswahl.

Ankommen App, Quelle: Screenshot Webseite

Ankommen App, Quelle: Screenshot Webseite

Die Menüführung ist sehr einfach gehalten und stützt sich auf aussagekräftige Bildelemente. Es gibt insgesamt vier Menüpunkte, aus denen schnell hervorgeht, dass der Schwerpunkt der App nicht nur auf der Sprachvermittlung liegt, sondern auch über die Themen Leben und Arbeiten in Deutschland informiert werden soll. Im Menü lassen sich die Sektionen „Learn German“, „Asylum, Apprenticeship, Job“ und „Living in Germany“ anpeilen. Zusätzlich findet sich der Menüpunkt „Step by step“, unter welchem Inhalte aus den drei zuvor genannten Sektionen in einer Übersicht dargestellt werden.

In der Sektion „Learn German“ werden bislang nur vier Lektionen angeboten. Diese werden jedoch stetig um neue erweitert. In den bislang vorhandenen Einheiten werden einfache Inhalte behandelt. Flüchtlinge können lernen, sich selber vorzustellen, über Menschen in Deutschland, Freizeitaktivitäten und das Leben in einer deutschen Stadt zu sprechen. Jede Lektion ist in drei Sinnbausteine gegliedert, in der sich zahlreiche Lese-, Hör-, Schreib- und Sprechübungen finden. Der Aufbau des Kurses unterscheidet sich von herkömmlichen Lehrangeboten: Einer Lektion steht nicht wie gewohnt ein längerer Hör- oder Lesetext voraus. Stattdessen wird sofort mit Übungen begonnen.

Die Aufgaben sind sehr interaktiv gestaltet und meist sehr kurz, sodass sich schnell Erfolgserlebnisse einstellen. Wurde eine Aufgabe richtig gelöst, wird die Antwort grün unterlegt und die Aufgabe mit einem Häkchen versehen. Eine falsche Lösung wird entsprechend rot markiert. Der Gesamtfortschritt innerhalb einer Lektion lässt sich über eine Prozentangabe auf der Hauptseite einer Lerneinheit prüfen. Im Menüpunkt „Asylum, Apprenticeship, Job“ können zahlreiche Informationen rund um den Asylantrag, die Ausbildung oder das Arbeiten in Deutschland eingesehen werden: Was wird während der medizinischen Untersuchung gemacht? Kann ich in Deutschland auch studieren? All diese Fragen werden in diesem Menüpunkt beantwortet. Jeder Text kann nach dem Lesen markiert und dadurch der Lernfortschritt festgehalten werden. In der Sektion „Living in Germany“ werden Fragen rund ums Leben in Deutschland beantwortet. Auch Erfahrungen von Ausländern in Deutschland werden geteilt. Gelesene Texte können nach dem Lesen ebenfalls markiert werden. Für jeden gelesenen Text erhält man eine Medaille – was motiviert, weiterzulesen.

Die App kommt in einer ansehnlichen und farbenfrohen Aufmachung. Zahlreiche Bildelemente sind integriert. So macht das Lernen und Lesen Spaß! Die App benötigt zur Installation 64 MB (Android) bzw. 53 MB (iOS) freien Speicherplatz. Es werden die Betriebssysteme Android in der Version 4.0.3 oder Apple iOS in der Version 9.0 oder höher vorausgesetzt. Neuere Mobiltelefonmodelle sind zu empfehlen, damit die interaktiven Bedienelemente nicht ins Ruckeln geraten.

Lern Deutsch – Die Stadt der Wörter

Die Anwendung „Lern Deutsch“ wird vom Goethe Institut angeboten. Gleich zu Beginn lässt sich feststellen, dass es sich bei der App nicht um eine typische Anwendung zum Deutschlernen handelt: Zwei Cartoon-Charaktere erwarten den Nutzer im Hauptmenü. Im Hintergrund läuft zudem eine flotte Musik mit Karibik-Elementen. Das Goethe Institut verfolgt mit dieser App den Ansatz, das Deutschlernen in Form eines Spiels zu verpacken. Die Anwendung kann in den acht Sprachen Deutsch, Englisch, Spanisch, Französisch, Arabisch, Italienisch, Portugiesisch und Russisch verwendet werden.

Anfangs wird man über ein kurzes Tutorial in die „Stadt der Wörter“ eingewiesen. Die Charaktere Julia und Michael leiten den Spieler durch die ersten Schritte. Wenn man sich das erste Mal in die Spielwelt begibt, ist zunächst ein Avatar anzulegen, mit welchem man sich später in die App einloggen und über den man von anderen Spielern erkannt werden kann. Das Spiel eignet sich besonders für Lernanfänger, um auf interaktive Weise ein erstes Grundvokabular aufzubauen. Dazu kann man durch die Stadt wandern und auf markierte Objekte klicken. Daraufhin wird das jeweilige Wort gezeigt und es folgen verschiedene Übungen, mittels derer die neu gelernten Vokabeln eingeprägt werden können.

Lern Deutsch d

Die Spielatmosphäre ist ein grafischer Leckerbissen. Nicht nur in der Stadt, sondern auch in den Übungen finden sich zahlreiche Elemente im Cartoon-Stil. Zusätzlich ist das Spiel mit verschiedenen Effekten ansprechend animiert. Eine angespannte Atmosphäre, wie man sie aus gewohnten Deutschkursen kennt, kommt gar nicht erst auf. Hat man eine Übung gut bestanden, bekommt man dafür eine Goethe-Münze, die man im Verlaufe des Spiels sammeln kann.

Noch interaktiver wird die Anwendung durch das gemeinsame Spielen mit anderen Deutschlernern aus aller Welt. Ist ein anderer Spieler gleichzeitig online, kann man mit diesem in verschiedenen Minigames das eigene Vokabelwissen messen. In den Spielen kann man Punkte sammeln und dadurch die eigene Position auf der Bestenliste verbessern. Das steigert den Spaßfaktor und spornt zusätzlich an, neue Vokabeln zu lernen.

Bevor man das Spiel in vollen Zügen nutzen und genießen kann, muss man sich jedoch erst mit dem eigenen Avatar registrieren. Dazu wird entweder ein Facebook-Account oder eine Goethe-ID vorausgesetzt. Nicht jeder wird eines der beiden Konten haben oder sich extra für die App registrieren wollen, was durchaus ein Manko ist. Zudem werden vor der Installation verschiedene Berechtigungen eingeholt. Wer mit all diesen Punkten keine Probleme hat, auf den wartet eine bunte und kostenfreie Spielwelt, in der sich zusammen mit anderen Lernern Deutschkenntnisse auf Anfängerniveau erlernen lassen.

Die App erfordert mindestens das Android-System der Version 2.3 oder das iOS-System der Version 7.1. Für Android werden 75 MB, für iOS hingegen schon 130 MB freier Speicher vorausgesetzt. Da das Spiel zahlreiche Effekte und Animationen besitzt, laufen ältere Geräte Gefahr, ins Stocken zu geraten. Richtig Spaß macht die Anwendung überhaupt erst auf einem großen Bildschirm, wie z.B. beim Tablet oder dem PC.

Link2Brain „Refugee Version“ – Deutsch für Flüchtlinge

link2brain App, Quelle: Screenshot Webseite

link2brain App, Quelle: Screenshot Webseite

Die App Link2Brain ist ursprünglich eine mobile Lernanwendung zum Erlernen von Inhalten verschiedener Themenbereiche. Die Software stützt sich dazu auf das Karteikastenprinzip. Gelerntes wird nach dem erstmaligen Lernen durch einen integrierten Algorithmus zu einem späteren Zeitpunkt erneut abgefragt. Neues Wissen schafft somit auch den Weg vom Kurzzeit- ins Langzeitgedächtnis. Eigens für Flüchtlinge wurde diese App nun auch zum Zwecke des Erlernens der deutschen Sprache angepasst.

Die Anwendung ist sehr einfach und übersichtlich gestaltet. Bislang werden deutsche Vokabeldecks für arabische, persische und russische Lerner angeboten. Jedes Deck besitzt etwa 20 Lektionen. Es werden Ausdrücke zu den wichtigsten Themen zum Leben in Deutschland vermittelt. Dazu gehören u.a. Zahlen, Zeitangaben, Essen und Trinken – auch Vokabeln zu Gefühlen und Formularen lassen sich pauken. Die Bedienung innerhalb der App ist unkompliziert. Nachdem man eine Lernsitzung begonnen hat, wird zunächst eine Vokabel stets in der eigenen Muttersprache angezeigt. Danach lässt man sich die Antwort einblenden. Anhand vier verschiedener Smileys kann man nun entscheiden, ob man die Vokabel bereits wusste oder weiterer Wiederholbedarf besteht.

Während des Lernens wird man über einen Fortschrittsbalken und eine Prozentanzeige über den eigenen Lernfortschritt informiert. Außerdem wird die Zahl der noch ausstehenden Karten angezeigt. Auf der jeweiligen Startseite eines Decks lässt sich zudem der Lernfortschritt einer jeden Lektion anhand eines Kreisdiagramms einsehen. Der prozentuale Anteil an Vokabeln, die man gut bzw. weniger gut beherrscht, wird in verschiedenen Farbtönen dargestellt. Erscheint der Kreis in einem einheitlichen dunklen Blauton, so hat man alle Vokabeln einer Lektion gelernt.

Die App erfordert 11 MB auf einem Android-Gerät bzw. 30 MB auf einem iOS-Gerät. Android 4.0 oder iOS 8.0 und höher werden vorausgesetzt. Die App ist für beide Systeme kostenlos. Da keine aufwendigen Effekte und Animationen verwendet werden, kann die Anwendung auch auf älteren Geräten mit kleinem Bildschirm genutzt werden. Zurzeit fehlt in der App noch die Option, eigene Vokabeln hinzufügen zu können. Auch gibt es bislang nur drei Ausgangssprachen. Es lassen sich entsprechende Anpassungen in zukünftigen Updates erhoffen.

Fazit

Im Artikel haben wir drei verschiedene Apps vorgestellt, mittels derer Flüchtlinge ihr Deutsch auch außerhalb der Unterrichtsstunden verbessern können. Die „Ankommenapp“ kommt dabei noch am ehesten einem gewöhnlichen Sprachkurs nahe. Neben sprachlichen Elementen werden auch zahlreiche Inhalte vermittelt, die Flüchtlingen gerade bei der Bewältigung der ersten Wochen in Deutschland helfen können. Übungen zu den großen Bereichen Hören, Lesen, Sprechen und Schreiben werden angeboten und eine einfache Fortschrittskontrolle ist möglich. Die App „Lern Deutsch – Die Stadt der Wörter“ versucht, auf spielerische Art und Weise Grundlagenkenntnisse der deutschen Sprache zu vermitteln. Ohne ein Facebook-Konto oder eine Goethe-ID ist eine Nutzung jedoch nicht möglich. Zudem sollten ältere, langsamere Geräte aufgrund der zahlreichen Effekte ihre Probleme mit der App haben. Das Spiel kann nur als eine Abwechslung für zwischendurch betrachtet werden, da ihr ein geeignetes System zur Vermittlung von sprachlichen Inhalten fehlt. Bleibt zuletzt die App Link2Brain. Es handelt sich dabei um einen Vokabeltrainer speziell für Flüchtlinge. Er hilft dabei, systematisch einen breiten Grundlagenwortschatz aufzubauen. Aufgrund seiner Einfachheit läuft der Trainer problemlos auch auf älteren Modellen. Da das Üben mit der App recht einseitig ist, sollte diese nicht als einziges Werkzeug zum Deutschlernen verwendet werden. Die besten Erfolge lassen sich wahrscheinlich erzielen, indem die drei vorgestellten Anwendungen kombiniert eingesetzt werden. Während die „Ankommenapp“ systematisch sprachliche und kulturelle Inhalte vermittelt, können die beiden anderen Anwendungen als unterstützende Hilfsmittel eingesetzt werden.

Kriterien Ankommen Lern Deutsch Link2Brain
Sprachen: Nur 5: Deutsch, Englisch, Französisch, Arabisch, Farsi Deutsch, Englisch, Spanisch, Französisch, Arabisch, Italienisch, Portugiesisch, Russisch Bislang nur 3: Arabisch, Persisch, Russisch
Sprachniveau: Anfänger Anfänger Anfänger
Nutzung: Übersichtliches Menü, teils unübersichtliche Handhabung innerhalb der Übungen einfache, aber manchmal aufgrund von Effekten und Animationen unübersichtliche Handhabung sehr einfache Menüführung und übersichtliche Oberfläche
Funktionen: Sprachlernteil: Bislang 4 Lektionen mit Übungen zum interaktiven Trainieren der Lese-, Hör-, Schreib- und Sprechfähigkeiten; Zusätzlich werden zwei umfangreiche Teile mit Informationen zu Asyl, Bildung, Arbeit und Leben in Deutschland angeboten Verschiedene, interaktive Minispiele zum Erlernen des Grundwortschatzes; Möglichkeit zur Interaktion mit anderen Lernern Vokabeltrainer mit vorgefertigten Stapeln zum Erlernen eines breiten Grundwortschatzes
Erfolgskontrolle: Prozentanzeige für Sprachlektionen; Medaillenanzeige für gelesene Texte Punkte können gesammelt werden, um in der Bestenliste aufzusteigen Fortschritt in einer Lektion wird in Form eines Kreisdiagramms dargestellt
Anmeldung: keine Anmeldung nötig Anmeldung über Facebook-Account oder Goethe-ID notwendig keine Anmeldung nötig
Datenschutz: Keine Nutzungsberechtigungen für Daten bei Installation gefordert Nutzungsberechtigungen bei Installation für verschiedene Daten gefordert Keine Nutzungsberechtigungen bei Installation gefordert
Kompatibilität: Android 4.0.3 und iOS 9.0 Android 2.3 und IOS 7.1 Android 4.0 und iOS 8.0

Autor: Redaktion Sprachen

Die Redaktion Sprachen betreut den Bereich Sprachen auf gehirnonline.de. Sie recherchiert und stellt die besten Elearningangebote für diesen Bereich vor.

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