Babys bilden neues Wissen im Schlaf

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Nur scheinbar untätig: Im Schlaf festigt das Babygehirn zuvor Gelerntes und verallgemeinert es. © Manuela Friedrich

Schlaf verbessert das Erinnerungsvermögen und strukturiert das kindliche Gedächtnis

Das Babygehirn gibt keine Ruhe – nicht mal im Schlaf. Es verarbeitet zuvor Gelerntes. Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig haben zusammen mit Forschern der Universität Tübingen herausgefunden, dass sich Babys durch ein kurzes Schläfchen die Namen von Gegenständen besser merken. Außerdem können sie erst nach dem Schlaf gelernte Namen auf neue ähnliche Gegenstände übertragen. Ihr Gehirn bildet also im Schlaf verallgemeinernde Kategorien – Erlebtes wird so zu Wissen. Die Forscher konnten darüber hinaus zeigen, dass diese Kategorisierung eng mit einer typischen rhythmischen Aktivität des schlafenden Gehirns zusammenhängt.

Schlaf ist mehr als Erholung

Schlafen ist für unser Gehirn viel mehr als Erholung. Das Gehirn ist zwar weitestgehend vom Informationsfluss aus den Sinnesorganen abgeschnitten, viele Regionen sind aber während des Schlafes besonders aktiv. Die meisten Hirnforscher gehen heute davon aus, dass das Gehirn im Schlaf zuvor Erlebtes noch einmal abruft und so neue Gedächtnisinhalte festigt und in das bestehende Gedächtnis integriert. Dabei werden Verbindungen zwischen Nervenzellen verstärkt, neu geknüpft oder auch abgebaut. Schlaf ist also für das Gedächtnis unverzichtbar.

Studie findet deutliche Unterschiede

Die Hirnaktivität während der späteren Testphase unterschied sich deutlich zwischen den Kindern, die im Anschluss an die Lernphase geschlafen hatten, und denen, die wach geblieben waren. Während die wach gebliebenen Kinder die Namen für die einzelnen Objekte vergessen hatten, behielten die Kinder der Schlafgruppe die Objekt-Wort-Zuordnungen im Gedächtnis. Und auch die Kategorisierungsfähigkeit der Kinder unterschied sich drastisch: „Kinder, die unmittelbar nach der Lernphase geschlafen haben, ordnen neuen Objekten die Namen von Objekten mit ähnlichem Aussehen zu“, sagt Manuela Friedrich vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften. „Vor dem Schlaf konnten sie das noch nicht und auch die wach gebliebenen Kinder waren dazu nicht in der Lage. Die Kategorien müssen also während des Schlafes gebildet worden sein.“

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Elektroden auf der Kopfoberfläche registrieren die von den Nervenzellen ausgehenden elektrischen Signale und leiten sie an Messgeräte weiter. © MPI f. Kognitions- und Neurowissenschaften/ Ch. Rügen

Schlafspindeln verbessern Lernerfolg

Während das Alter der Kinder keine Rolle spielte, bestimmt eine Form von Hirnwellen maßgeblich den Lernerfolg: die sogenannten Schlafspindeln. Sie entstehen, wenn Nervenbündel zwischen Thalamus und Großhirnrinde eine rhythmische Aktivität von 10 bis 15 Schwingungen pro Sekunde erzeugen. Schlafspindeln beeinflussen beispielsweise die Gedächtnisbildung bei Erwachsenen. „Je stärker ein Baby solche Schlafspindeln ausbildet, desto besser kann es nach dem Schlaf die Namen für Kategorien auf neue Objekte anwenden“, erklärt Friedrich.

Schlaf bestimmt das Erinnerungsvermögen

Schlaf bestimmt also maßgeblich das Erinnerungsvermögen schon im kindlichen Gehirn – und damit in einer Phase, in der das Gedächtnis massiv ausgebaut wird. „Das wache Baby-Gehirn vergisst neu gelernte Benennungen schnell wieder. Im Schlaf werden die Wörter jedoch dauerhafter mit den Objekten verknüpft und prägen sich ein“, sagt Angela Friederici, Direktorin am Leipziger Max-Planck-Institut, die die Studie geleitet hat.

Schlaf und die Ausbildung von Schlafspindeln verleihen dem frühkindlichen Gehirn aber auch die Fähigkeit zum Zusammenfassen ähnlicher Wortbedeutungen. Wenn das Gehirn von äußeren Einflüssen weitestgehend abgeschnitten ist, kann es offenbar seine Erfahrungen ordnen und neue verallgemeinernde Gedächtnisinhalte bilden. „Der Schlaf schlägt also die Brücke vom konkreten Gegenstand zur allgemeinen Kategorie – aus Erlebtem wird so Wissen“, erklärt Friederici.

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